Wenn irgendwo etwas passiert, dann sind sie da, egal ob Stau am Kamener Kreuz, Katastrophe in Asien oder Angriffskrieg in der Ukraine. Anhänger von Hamas und Fatah fluten die Kommentarspalten und man hat den Eindruck, Leid gäbe es ausschließlich in Gaza und Westbank. Die Fragen mögen variieren, der Tenor bleibt stets der Gleiche, wann denn die Welt sich jetzt endlich mal um die Palästinenser kümmern würde. Es ist ja nicht so als wären nicht Milliarden an Hilfsgeldern geflossen oder Gaza die Schlagzeilen bestimmt, selbst wenn in Gaza ein Sack Reis umfällt.

Gaza verdrängt selbst wichtigere Themen, denn was ist für den Nachrichtenwert besser als eine Verteidigung der IDF, schließlich weiß der Nahost Reporter, da knallen nicht nur die Sektkorken. Es ist im Laufe der Jahre ein Wettbewerb entstanden, wer am meisten leidet. Der regelmäßige Sieger sind Palästinenser, nicht weil sie ganz besonders leiden, sondern weil die, die wirklich unterdrückt, ermordet, verfolgt und umgesiedelt werden, sich nicht äußern und weil die Welt sie vergisst. Die Menschen im Libanon leiden und besonders die Palästinenser, die in Flüchtlingslagern untergebracht sind. Sie haben keine Rechte, dürfen nicht studieren und werden bei Stellenangeboten nicht berücksichtigt. Sie sind Menschen zweiter Klasse. Oder, da wir schon in der Gegend sind, schauen wir nach Syrien, oder das Gebiet, das ehemals der Daesh besaß. Tausende Tote, aber für einen Teil der Palästinenser litten und leiden sie nicht so wie ein Mittelständler im Gaza, der sich nicht zwischen zwei Dosen Thunfisch entscheiden kann.

Seitdem der Konflikt in der Ukraine eskaliert ist, sind nicht nur Palästinenser, sondern auch ihre Unterstützer fleißig dabei, die Kommentarspalten zu fluten. Und auch die Frage, wann sich die UN endlich mal mit Israel beschäftigt oder die Europäische Gemeinschaft Sanktionen gegen Israel verhängt sind sehr verbreitet. Weist man darauf hin, dass der Nahostkonflikt in der Liste ganz hinten liegt, dann wird direkt die Forderung „Free Palestine“ erhoben, sodass jeder weiß, wo die Reise hingeht.

Seit 2014 sind etwa 10.000 Menschen Opfer des Konflikts, während die Opferzahlen, für den Nahostkonflikt seit 1948 51.000 inklusive aller Kriege betragen und damit den Konflikt in der Liste auf Platz 49 landet. Allein während der islamischen Revolution im Iran starben zwischen 78 und 79 rund 80.000 Menschen. Nun soll das kein Bodycount werden, sondern aufzeigen, dass der Nahostkonflikt mitnichten ein Alleinstellungsmerkmal besitzt oder in der Leidens liste einen besonderen Platz einnimmt.

Weg von der Ukraine finde ich es mehr als bedenklich, wenn die Konflikte dieser Welt weniger Resonanz erzeugen. Ob die Uiguren oder die Rohingya, stets schwingt die moralische Keule mit, dass es ja die Palästinenser sind, die am meisten leiden. Und was damit einhergeht ist die Erklärung, dass die Palästinenser das Recht haben israelische Zivilisten anzugreifen, denn das wäre ein Akt des legitimen Widerstandes. Da kommen dann Argumente wie das folgende

Was Palästina betrifft, so werden die von Israel nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 besetzten Gebiete völkerrechtlich als besetztes Land anerkannt, wenn man die Frage nach den Fakten und Regeln des Völkerrechts betrachtet. Dies wurde von den Vereinten Nationen wiederholt betont, angefangen mit der Resolution 242 des Sicherheitsrates und nicht zuletzt mit der Resolution 2334, die ebenfalls vom Sicherheitsrat am Ende der Präsidentschaft der Obama-Regierung im Jahr 2016 verabschiedet wurde, die damals beschloss, dass die Vereinigten Staaten ihr Vetorecht gegen diese Resolution nicht nutzen würden. Wenn Israel als Besatzungsmacht in diesen Gebieten die Palästinenser angreift, ihr Eigentum angreift und ihr Leben bedroht, sei es in Ost-Jerusalem, im Westjordanland oder im Gazastreifen, haben die Palästinenser daher gemäß Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen das Recht, sich zu verteidigen.

Mohammad Yousef – Middle East Monitor

Warum müssen diese Leute, wenn irgendwo ein Konflikt ist, sofort Vergleiche mit der Westbank und dem Gaza ziehen? Nicht alles was hinkt ist ein Vergleich, denn die Geschichte, beziehungsweise Unabhängigkeit der Ukraine unterscheidet sich fundamental, vor allem weil die Ukraine keinen Angriffskrieg begonnen hat. Das beginnt schon mit der Resolution 181, denn während die israelische Seite den Plan akzeptierte, lehnte die arabische Seite das ganze ab. Nach dem Unabhängigkeitskrieg besetzten die Jordanier die Westbank, sowie Jerusalem, die Ägypter den Gazastreifen. Ein palästinensischer Staat, oder irgendein Staatsgebilde wurde nicht gegründet. 1967 eroberten die Israelis im Sechstagekrieg die Westbank und Gaza. Ein Angebot Land gegen Frieden lehnte die arabische Seite ab. die Resolution, von der Yousef spricht, erwähnt die Palästinenser gar nicht – Die UN-Resolution 242, an deren Zustandekommen ich beteiligt war, fordert alle Seiten auf, Frieden zu schließen und erlaubt Israel, die 1967 besetzten Gebiete zu verwalten, bis ein gerechter und dauerhafter Frieden erreicht ist. Bei Erreichung solch eines Friedens ist Israel verpflichtet, seine Streitkräfte `aus Gebieten‘, die es im Sechstagekrieg besetzt hat, abzuziehen. Eugene V. Rostow.

Die Ukraine hat Russland nicht angegriffen – die Palästinenser haben Israel nicht angegriffen, existierten aber weder 1947/48 noch 1967 -, also wäre es angebracht keinen Vergleich zu ziehen. Das Dilemma ist auch nicht der Nahe Osten oder die Palästinenser, das Dilemma sind Leute wie Yousef und diejenigen, die sofort in den Ring springen mit ihrem „Free Palestine,“ so als wäre es in Ordnung die Ukraine zu überfallen.

Und während Fatah und Hamas sich, bis auf Khaled Mashaal, in der Beurteilung zurückhalten, weiß die Hisbollah wer Schuld ist. Wie schon Wolf Biermann sagte:

„Wenn die Zahlmeister der EU regelmäßig Alimente an die Palästinenser überweisen, dann wollen sie es nicht wahrhaben, daß sich im Gaza-Streifen die abgeklärten Massenmörder der Fatah mit den fanatischen Massenmördern der Hamas eigentlich nur über den Weg zur Endlösung der Judenfrage streiten, denn im Grunde sind sie alle einer Meinung: Israel muß vernichtet werden!“

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Eine Antwort zu „Von Kiew nach Ramallah”.

  1. Avatar von Gamma Hans

    Guten Tag Herr Thal,

    „also wäre es angebracht keinen Vergleich zu ziehen“

    Der Grundgute ist sich seiner guten, reinen Gesinnung bewusst. Es sind die anderen, die das nicht wahrhaben wollen.

    mit freundlichen Grüßen
    Hans Gamma

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