Wir haben unzählige Schiedsrichter in der Wohlstandsgesellschaft ausgebildet, die jedem, auch in der internationalen Welt, die Spielregeln erläutern, ohne selber spielen zu können. Lothar Späth

Entschuldigung, Gendern Sie? Verwenden Sie Stern, Bindestrich, Unterstrich, Doppelpunkt, oder einen Beistrich? Nein? Gehören Sie also zu der Mehrheit, die das Ganze ablehnt, beziehungsweise für unwichtig hält. Ich muß gestehen, ich bin kein Freund von Gendersprache, nicht weil mir einen Zacken aus der Krone brechen würde, wenn ich Sternchen oder einen Strich verwende, sondern weil für mich etwas anderes wichtig ist, völlige Gleichberechtigung. Ja, ich befürworte was dahinter steht, allerdings bin ich der Meinung ein Stern hilft den Betroffenen nicht. Er schafft auch eine neue Gruppe die ausgegrenzt wird, nämlich Sehbehinderte und Blinde die auf Sprachausgabe angewiesen sind. Müssen sie halt das sehen lernen, denn es geht um wichtigeres als Sprachausgabe.

„Nie geraten die Deutschen so außer sich, wie wenn sie zu sich kommen wollen.“

Kurt Tucholsky

Gendern ist eine ernste Sache, so ernst, dass man glaubt man würde jetzt die Gesellschaft neu erfinden. Und weil das so ist, kommt das Klischee von den drei Deutschen zum tragen, die einen Klub gründen, denn alles muß seine Ordnung haben. Dabei ist die Idee keineswegs neu, seit John Money den Begriff „Geschlechterrolle“ genommen hat wird über „Gendern“ debattiert und gestritten. Es war Judith Butler mit ihrer Queer-Theorie eigentlich zur heutigen Debatte, die anscheinend nirgendwo so intensiv geführt wird wie in Deutschland, beigetragen hat.

Wir haben es leicht, denn im englischen gibt es nur „the“ und „you“ bedeutet nicht, wie man im deutschen Sprachraum glaubt, „du.“ Es kommt auf den Satz an, wie das you gemeint ist, aber egal. Ich wundere mich, wenn ich nach Deutschland schaue über die Vehemenz mit der gestritten wird. Und es ist wieder so, dass man über eine Gruppe, aber nicht mit einer Gruppe redet die davon betroffen ist. Man setzt einfach voraus dass es sich so verhalten muß.

„Jede Folgerung, die wir aus unseren Beobachtungen ziehen, ist meistens voreilig: Denn hinter den wahrgenommenen Erscheinungen gibt es solche, die wir undeutlich sehen, und hinter diesen wahrscheinlich noch andere, die wir überhaupt nicht erkennen.“

Gustave Le Bon

Seit 2017 gibt es in Deutsxhland einen Verein, der den „Goldenen Zaunpfahl“ verleiht, einen Negativ Preis der laut Kriterien:

Anhand der hier beschriebenen Kriterien werden aus allen Einreichungen, die seit der letzten Preisverleihung ihren Weg in das Gruselkabinett des Goldenen Zaunpfahls gefunden haben “Die unrühmlichen Sieben” gewählt (Produkte, Werbespots, Plakate,…). Durch ein wechselndes Auswahlverfahren (Jury, öffentliches Voting o.ä.) wird bestimmt, welche davon den Wink mit dem Goldenen Zaunpfahl am nötigsten hat und den Negativpreis im aktuellen Jahr erhält.

In diesem Jahr erhielt diesen Preis der Drogeriegigant DM, der offensichtlich ein Fall für das Gruselkabinett war. Hat Herr Werner etwa die falsche Laudatio gehalten, oder sich bei seiner Idee des bedingungslosen Grundeinkommens verrannt? Nein, DM maßt sich an Produkte für alle anzubieten, das paßt offensichtlich dem Goldenen Zaunpfahl nicht, der es sich zur Aufgabe gemacht gegen sogenanntes Gendermarketing vorzugehen. Nun gibt es Kritik an dieser Art von Marketing nicht erst seit Gestern, neu allerdings sind die Argumente die hier vorgebracht werden. Der Laudator Judith Rahner- man kann auch sagen das, oder Laudator:In – wirft unter anderem vor, dass DM Genderneutral schreibt „Hier bin ich Mensch, hier Kauf ich ein.“ Frau Rahner sieht das keineswegs so, sondern glaubt, auf Grund ihres Eingangstextes dass sie – und wahrscheinlich einige andere – bei DM „Mann, Junge, Frau, oder Mädchen ist.“ Wie sie darauf kommt? Anhand der Regale und der Produkte die angeboten werden, man findet das diskriminierend und nicht geschlechtsneutral.

Es kann der Frömmste nicht in Frieden bleiben

Wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt.

Wilhelm Tell IV,3

Also wurde DM der Preis verliehen und die Erwiderung DMs in‘s lächerliche gezogen, nämlich, dass DM sich an den Kundenwünschen orientiert, was offensichtlich gar nicht geht. Es geht den Machern um Gendermarketing für Kinder und heraus kommen Begründungen wie diese hier: Aber nicht nur für Frauen ist sexistische Werbung schädlich. Sie zementiert eine künstliche Unterscheidung zwischen Frauen und Männern und die Produktpalette bei dm schlägt genau in diese Kerbe: ein Männerduschgel mit Bier- oder Whiskey-Duft, eine Handwaschpaste mit Sägemehl oder ein Duschpeeling mit Aktivkohle. Braucht es wirklich eine Handcreme für „Männerhände, die in jede Werkstatt“ gehört?

Ja, Frau Rahner, mein Vater hat sich jahrzehntelang damit die Hände gewaschen, anders hätte er sie nicht sauber bekommen. Und auch heute noch gibt es Menschen, die in Berufen arbeiten, die schmutzig, körperlich anstrengend und belastend sind. Ich habe mir sagen lassen, auch die nutzen solche Handwaschcremes. Das gibt es sogar für medizinisches Personal. Es gibt auch Frauen die in Männerberufen arbeiten und die Zahlen steigen auch noch.

Ja, die Werbung ist sexistisch und ja, Marketing will auch Frauen ansprechen, da leider immer noch mehr Frauen nicht nur arbeiten, den Haushalt führen und einkaufen gehen und bei DM abhängen. Nicht alle Frauen haben den Luxus, ein Kindermädchen beschäftigen zu können. Und die Pandemie hat gezeigt, dass immer noch viel zu viele Männer die Hausarbeit den Frauen überlassen. Influencerinnen leben auf YouTube den Mädchen täglich vor was in ist, die Kosmetikfirmen werben nicht mit Mrs Brown, sondern mit irgendeinem Topmodell.

Das Idealbild

Und es mag für Sie störend sein, aber mal ehrlich, nutzen Sie Bartöl? Wer Shaving und Groomingprodukte nutzt, für den ist das nichts exotisches. Die Firma Brooklyn Soap Company hat noch ganz andere Duftnoten im Programm, das mag man geschmacklos finden, aber es gibt Barträger die das kaufen. Sie regen sich ja auch nicht auf, dass DM auch Kosmetika verkauft, oder? Und wenn jemand einen signalfarbenen Lippenstift haben will, dann verteilen Sie doch auch nicht Negativpreise. Seinz scheint es Ihnen auch angetan zu haben, ist sie doch von DM gegründet worden. Immerhin sind 25% der Kunden Männer und die haben andere Bedürfnisse, ebenso konzentriert DM sich auf junge Mütter, aber geschenkt.

Der Verein sagt, dass sie unglaublich viele Einsendungen bekommen würden, wobei sich die Frage stellt, wieviel und von wem? Es mag Frauen geben, die sich benachteiligt fühlen, ebenso gibt es Männer die sich benachteiligt fühlen, denn für das Gros der Firmen finden wir Normalbürger gar nicht statt. Wer, wie ich, mittlerweile Moppelgrößen braucht, der hat Schwierigkeiten, deshalb bestelle ich meine Kleidung online. Firmen wie Big Dude, oder Kingsize hier in Irland, haben mit uns Moppeln ein Geschäftsmodell entdeckt, sie haben erkannt das nicht jeder wie Michael B. Jordan aussieht, sondern eher wie Bud Spencer – Ruhe in Frieden Bud -. Das wäre vielleicht eine Baustelle, aber nein, es muss von den Regierungen ein Verbot kommen Magersüchtige Modells zu beschäftigen, wobei sich das nicht signifikant geändert hat.

Ein weiteres Problem dieses Vereins ist das absolut unterirdische recherchieren, so schreibt Frau Rahner: „Wegen Gender Pricing zahlten Kundinnen auch gern mal zwei Euro mehr für die rosa Einwegrasierer statt für die identisch blaue Variante.“ Und das ist, mit Verlaub, glatt gelogen. Ich habe mir extra die Mühe gemacht und die Preise von Damen Einwegrasierern mit denen von Herren verglichen und sieht da, es gibt kaum Preisunterschiede. Nun kann man ja, ebenso wie bei Kosmetik, die Preisgestaltung der Lieferanten kritisieren, denn DM muss die Waren verkaufen und dabei auch noch Gewinn machen, sie verstehen Frau Rahner, DM hat auch Mitarbeiter, die hätten gern am Monatsende ein Gehalt und arbeiten nicht bei DM weil sie gern in einem großen Büro arbeiten möchten, und gerade in der Pandemie es lieben von Querdenkern bedroht zu werden, weil diese keine Maske tragen wollen.

Und ja, es gibt Menschen in Deutschland, die sich den Luxus nicht leisten können am Warenangebot herumzukritisieren und meist in Ein Euro Läden Stammkunden sind, oder ihr Essen von der Tafel erhalten. Das mögen zwar für den Zaunpfahl Probleme sein, aber nicht ihre Probleme, also stürzen sie sich mit messianischen Eifer in‘s Gefecht und betrachten den Vorwurf, das wären First World Problem was sie umtreibt, als schamlose Unterstellung von Neidhammeln und Faschisten. Unterstützt werden sie dabei von – neudeutsch – woken Leuten, weil man auf der richtigen Seite stehen will.

Ja, es gibt absoluten Unsinn, dieWerbung der Siebziger und Achtziger war voll von sprechenden Puppen, Slime Monsters, Action Man, Barbie, usw. Jungs bekamen Baukasten, Mädchen die neuste Barbie. Nun kann man sagen „das war halt so,“ ja, so war es, allerdings gab es schon damals Eltern die diesem Trend nicht nachliefen und es gab noch etwas anderes, die Modeindustrie. Es wurde mit Farben gearbeitet, die eigentlich verpönt, beziehungsweise Geschlechterspezifisch sein sollten. Rosa, oder Pinkfarbene T-Shirts weit geschnitten zum Beispiel

Eltern greifen immer zu den Farben, die Rollenbilder entsprechen, das haben Sabina Pauen und Miriam Schneider zusammengefasst:

„Spätestens mit der Geburt beginnt ein Prozess, den wir Sozialisation nennen. Sobald elterliche Erwartungen ins Spiel kommen, wird das Verhalten des Kindes vor dem Hintergrund der Frage interpretiert, ob es sich um einen Jungen oder um ein Mädchen handelt. In unseren Träu- men, Hoffnungen und Ängsten spielt das Geschlecht des Kindes schon Monate vor der Geburt eine zentrale Rolle. Denn jede(r) von uns verbindet mit „Frau sein“ oder „Mann sein“ kulturell, geschichtlich und persönlich geprägte Vorstellungen. Über die Namensgebung, die Farbe und
Art der Kleidung sowie weitere Äußerlichkeiten markieren wir das Geschlecht unseres Kindes später auch für die Öffentlichkeit, sodass selbst ein Fremder sehen kann, ob es sich um ein Mädchen oder einen Jungen handelt.“

Frau Pauen erklärte auch das jüngere Menschen, im Gegensatz zu älteren Menschen, sich an den Kategorien Mädchen, oder Junge festhalten, es gibt ihnen Sicherheit. Frau Pauen sagte, dass ältere Menschen eventuell mehr Lebenserfahrung besitzen und entspannter damit umgehen.

Wir haben unzählige Schiedsrichter in der Wohlstandsgesellschaft ausgebildet, die jedem, auch in der internationalen Welt, die Spielregeln erläutern, ohne selber spielen zu können.

Lothar Spät

Um die Kritik an DM und ihrem Gender Marketing zu verifizieren, beziehungsweise zu falsifizieren, müßten die Macher, die sich auf die Fahne geschrieben haben dagegen vorzugehen einen Test machen, der DM widerlegt. Also eine Einkaufsbedingung zu schaffen, wo die DM Produkte in komplett neutralen Verpackungen stehen, ohne Zuordnung. Neutral Deo, Duschbad, oder Body Lotion. Kosmetika, oder Pflegeartikel daruntergemischt, auch in neutraler Verpackung, sowie Kinder- und Babyartikel in den Farben grau, oder hellgrau. Dann erst kann man erkennen, wie wir als Gesellschaft schon gepolt sind. Wir sind schon per se mit diesen Vorstellungen behaftet. Man sollte Kindern schon zutrauen können was diese möchten und was nicht. Und, ehrlich gesagt, laufen viele Mädchen nicht im Rock rum, sondern in Jeans, und die sind Unisex.

Für mich sind diese Leute Personen mit Sendungsbewußtsein. Sie versuchen ihre Produkte – Bücher – unter die Frau, den Mann zu bringen, und Spenden zu erhalten, denn das Phänomen der verschobenen Rollenverteilung ist kein neues Phänomen, es ist nur verloren gegangen, beziehungsweise verdrängt worden. So waren Frauen im ersten und zweiten Weltkrieg in typischen Männerberufen unterwegs, was zur Emanzipation der Frau geführt hat, leider war spätestens nach dem Krieg Schluss damit und es hat, wie die Genderforscherin Christa Binswanger sagt, eine Rückkehr in alte Klischees stattgefunden.

Man kann natürlich mit Negativpreisen versuchen die Gesellschaft zu verändern, das funktioniert nur solange nicht, solange nicht alle mitspielen. Und was will man mit denen machen, die das ablehnen, was ja anscheinend die Mehrheit ist, per Gesetz zwingen? Ich denke, ich werde es nicht mehr erleben, dass Rollenmodelle nicht mehr vorhanden sind, allerdings ist es ein weiter Weg. Es gibt Frauen in Männerberufen, mehr Frauen studieren, aber selbst in der DDR war trotz Emanzipation ein tradiertes Rollenbild. Es liegt an den Eltern, wenn das Kind einen Piephahn hat, oder eine Mumu werden die Eltern, und die Umgebung getriggert.

Jeder Mensch ist anders, und jeder Mensch ist schön, wie er ist.
Posted in , , ,

Hinterlasse einen Kommentar