
Ich gestehe, ich bin seit 50 Jahren Anhänger des FC Bayern München und wahrscheinlich jeder Anhänger in meinem Alter kann sich an gute und an sehr schlechte Zeiten erinnern, besonders 1976, als Bayern München kurz vor der Vereinsauflöung stand. Sie gehörten zwar mit zu den erfolgreichsten Mannschaften in Europa, aber Niederlagen in der Bundesliga mit 1:7 gegen Düsseldorf, oder das denkwürdige 0:7 gegen Schalke – das beinahe zur Scheidung zwischen mir und dem FCB führte. Und wer kann sich noch an das 2:6 gegen Kopenhagen im UEFA Cup 1991 erinnern?
Ich denke man sieht eher die letzten Jahre, die überaus erfolgreich waren, als Bayern München an. Den Anspruch „Mir san mir“ der Selbstbewusstsein ausstrahlt. Dementsprechend war immer etwas los beim FC Bayern München. Die Jahreshauptversammlungen boten immer eine gewissen Abendunterhaltung – gut, bei Vereinen wie Frankfurt, Schalke, Dortmund, oder dem HSV waren Reibereien immer Tagesordnungspunkte, aber bei Bayern München hatte man, bis auf die letzten Jahre, die Vorstellung; Verein, Mannschaft und Anhänger hätten sich lieb. Gut, da war der Ausbruch Uli Honess‘ und sein Satz „für die scheiß Stimmung seid Ihr doch verantwortlich und nicht wir!!, da war der Burgfrieden in der Olympiahalle empfindlich gestört.
Dieses Jahr allerdings eskalierte das Ganze. Schon länger gärt der Unmut des Anhangs über den Deal des FCB mit Katar. Regelmäßig reisen Bayern zum Wintertraining in den Wüstenstaat, der, um es mal so zu sagen, sich einen Sch… um Menschenrechte schert. Besonders seit der WM Vergabe häufen sich die Vorwürfe gegenüber den Kataris und den Menschenverachtenden Arbeitsbedingungen. Bei der JHV eskalierte der Streit zwischen Fans und Präsidium.

Anträge wurden abgelehnt, versuchte Wortmeldungen ignoriert, und die Wortmeldung vom ersten Vizepräsidenten Dieter Mayer zeigt, wie sehr sich Fans und Verein voneinander getrennt haben indem er sagte: „Es geht hier doch nicht um Demokratie“. Natürlich nicht Herr Mayer, wo kommt man denn dahin, wenn diejenigen, die Woche für Woche den Verein unterstützen sich anmaßen, Kritik zu üben.
Panem et circenses
Fußballvereine sind Wirtschaftsunternehmen. Vorbei sind die Zeiten als die Vereine noch Woche für Woche in kleinen Stadien spielten, und die Spieler noch Amateure waren, die tagsüber einem Beruf nachgingen und Abends trainierten. Man kann diese Spieler zum Beispiel in Irland erleben, wo die meisten Vereinsspieler als Amateure auf dem Platz stehen. Heute stehen sie nicht nur im Rampenlicht, nein, es werden auch unglaubliche Summen bezahlt, die nicht mal die Profis aus amerikanischen Ligen erreichen. Eine Milliarde Euro läßt sich der FC Barcelona seinen Kader kosten. Demgegenüber stehen allerdings nur 800 Millionen an Einnahmen. Als die Katalanen Messi abgeben mussten, obwohl dieser auf einen großen Teil seines Gehalts verzichten wollte, zeigt wie die Fußballwelt heute funktioniert. Nun kickt er bei Paris Saint-Germain, dem unbeliebtesten Fußballklub in Frankreich. Dank den Millionen Nasser Al-Khelaifis, konnten die Pariser mal eben Neymar und MBappé für die Lächerliche Summe von 222- beziehungsweise 180 Millionen Euro leisten, da reicht es auch noch für Messi, für den Hauptstädter schon einmal 160 Millionen Euro geboten hatten.
Die Spieler sind Legionäre, besonders erfolgreiche Spieler spielen da, wo ihnen das beste Gehalt bezahlt wird. Mag Ronaldo auch noch so wohltätig sein, ein Heiliger ist er damit nicht. Es gibt sie zwar noch, die Spieler, die ihre gesamte Karriere bei einem Verein verbringen, aber die Mehrzahl, besonders die großen Spieler spielen überall nach dem Motto, „wes Brot ich ess, des Lied ich sing.“ Aber nicht nur Gehälter, Fußballer sind Botschafter ihrer eigenen Marke. Parfüm, Kleidung, tägliche Alltagsgegenstände, einmal riechen wie CR7, dass Ronaldo, der seinen Namen gegeben hat den Duft wahrscheinlich nicht mal mit der Kneifzange anfasst, geschenkt.
Fußball ist einer der Gewinner der Globalisierung. Länder lassen es sich ein große Summe kosten Vereine wie München, Liverpool, Chelsea, Barcelona, Madrid, Mailand, oder Madrid in‘s Land zu holen, und gegen heimische Clubs spielen zu lassen. Dass die Anhänger, die man dabei gewinnt, mit sozialen Engagements nichts am Hut haben merkt man spätestens dann, wenn die Allianz Arena zum CSD in den Regenbogenfarben leuchtet, oder Liverpool ein gutes „Yom Kippur“ wünscht. „Fans“ lassen sich dann zu Kommentaren hinreißen wie, „beim FC Bayern scheint wohl die Liebe zu den Perversen entdeckt zu haben,“ oder „wie kann der FC Liverpool einen Terrorstaat unterstützen,“ so als wären diese Vereine nicht im Westen, sondern in irgendeiner verstaubten Diktatur beheimatet.

Das sind auch diejenigen die von der Geschichte des FC Bayern München nicht den Hauch einer Ahnung haben und nicht wissen, dass man einen Präsidenten jüdischen Glaubens – Kurt Landauer – hatte und mit Richard „Little Dombi“ Kohn den ersten Meistertrainer, der um Oskar Rohr ein Meisterteam formte. Es geht nicht um Tradition und Werte, auch wenn die Bayernbosse das stets betonen, es geht um Erfolg, da sind die Fans nicht wichtig und die Fans im Ausland mit rassistischen, antisemitischen, oder Homophoben Ansichten gern Gesehene Zaungäste solange nach einer Tournee die Kasse klingelt. Und dass laut Ken Bensinger innerhalb der FIFA etwa 500.000 Millionen Dollar geflossen sind, und sowohl Russland, als auch Katar die Weltmeisterschaften eingekauft haben? Geschenkt, das sind allenfalls Petitessen.
Wir sind die Fans die Ihr nicht wollt
»Das interessante Freundschaftsspiel Tillingen-Höchstädt nicht zuende gespielt. Auf dem Spielfelde blieben 1200 Gäste und 850 einheimische Zuschauer. Liquidation beider Klubs. Die Stadt brennt.«
Wenn ich dabei an die Spieler der Prager Sparta mit der Slavia denke, dann sehe ich erst, daß der Fußballsport bei uns erst in den Kinderschuhen steckt. – Jaroslav Hašek – Von Scheidungen und anderen tröstlichen Dingen
So Hitzig war es dann doch nicht, trotzdem ließen die Fans ihrem Frust freien Lauf. Seit Jahren sind die Beziehungen zwischen dem FCB und Katar Anlass für massive Kritik und wenn der ehemalige Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge erklärt, „man muss grundsätzlich auch sagen, dass in Katar von allen arabischen Staaten im Moment die besten oder die größten Verbesserungen da sind in Sachen Menschen- und Arbeitsrechte. Dass die keinen vergleichbaren Standard mit Deutschland oder Europa haben, das ist bekannt“ dann sei schon die Frage gestattet, warum man dann sein Trainingslager dort abhält, vielleicht weil: „Bayern München hat mit Qatar-Airways eine Partnerschaft und ich war da auch nie ein Pharisäer, wenn ich das mal so sagen darf. Wir haben gutes Geld aus diesem Vertrag bekommen“
Nun ist es sehr schön, dass sich der FC Bayern in Katar schon länger gesellschaftspolitisch engagiere. Er habe persönlich mit Nichtregierungsorganisationen gesprochen und Einflussmöglichkeiten erörtert. Konkreter wird er nicht. Die Lage änderte sich aber trotzdem nicht, denn man reist ja nicht erst seit gestern dorthin. Und auch sei die Frage erlaubt, wenn es nur um eine strategische Partnerschaft gegangen sei, warum man dann nicht beispielsweise einen Deal mit O2, oder Telefonica eingegangen ist, man hätte sich ja auch an die Telekom wenden können, schließlich sind die Magenta Farben schon länger zu sehen. Man hätte sich auch ein eigenes Stadion auf den Balearen kaufen können, andere Clubs halten dort ihre Winterlager ab.
Statt darauf einzugehen und die Kritik zu beantworten, beziehungsweise zu versprechen den Vertrag nicht zu verlängern, wurden die eigenen Fans mit einer Arroganz behandelt die man kaum ein zweites Mal findet. Vielleicht mögen die Einnahmen aus den Eintrittsgeldern Peanuts sein und damit diejenigen, die Woche für Woche und Monat für Monat in die Allianz Arena pilgern, oder die Mannschaft in der Champions League unterstützen, für den Vorstand uninteressant, die Idee der Superliga hat allerdings gezeigt, welche Macht Fans haben können, wenn sie der Meinung sind es reicht.
Die Hardcorefans des AC Florenz haben es vorgemacht – nachdem ihnen der ganze Kommerz, sowie die Ignoranz des Vereins gegenüber den Fans gereicht hat, suchten sie sich einfach einen anderen Club. Den fanden sie im CS Lebowski, einem Club es den Tiefen der italienischen Liga und garantierter Punktelieferant da er jedes Spiel verliert.

„Es war das schlechteste Team der untersten Kreisliga in Florenz und hatte gerade 2:8 gegen den Vorletzten verloren. Am Anfang wählten wir den Klub aus Jux, kamen mit Bengalos und Trommeln an. Die Jungs fühlten sich verarscht und fragten, wer wir denn seien. Wir sagten: Wir sind ab heute eure Ultras – für immer!“
Seit 2004 sind sie da und unterstützen den Verein, der mittlerweile einen ehemaligen Nationalspieler in seinen Reihen hat, und Anteile am Verein verkauft. Wäre ich nicht schon Mitbesitzer des Cork City FC durch die „Friends of the Rebel Army Society,“ oder kurz FORAS, würde ich mich bei. CS einkaufen. Nein, ernsthaft, wenn den Anhängern ihrer Vereine mal der Kragen platzt und sie sich Auswahlvereine suchen, dann wäre 1860, oder einer der Münchner Traditionsvereine Wacker München eine Adresse. Dann blieben Klagen wie diese erspart.
Der FC-Bayern-Anhänger und sein Anwalt Hüttl vermuten weiter einen anderen Grund für das rigorose Vorgehen des Vereins. Der Fan hatte in den vergangenen Jahren immer wieder die Geschäftsbeziehungen des FC Bayern mit dem Emirat Katar kritisiert. Bei der Jahreshauptversammlung 2019 des FC Bayern hatte der Mann einen Antrag gestellt, wonach in der Vereinssatzung ein Bekenntnis zu Menschenrechten aufgenommen werden sollte – der Antrag wurde mit Verweis auf rechtliche Hürden abgelehnt.
Vielleicht dämmert den Oberen des FC Bayern München dann, dass es die Fans sind, die den Club mitgeprägt haben und nicht Millionen aus Katar
Nachtrag: Herbert Hainer sagte er werde aus dem Erlebten Konsequenzen ziehen, „ja, ich habe gelernt aus dem ganzen und beschlossen, nächstes Jahr findet die Jahreshauptversammlung in Doha statt. Qatar Airways sponsert uns Unterbringung und Flug, sowie die Räumlichkeiten.“
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